Die Schlagader Europas
Mit Alfons Paquet unterwegs auf dem Rhein
Mehr als eine klassische Reisereportage: Der Schriftsteller Alfons Paquet betrachtet in Der Rhein, eine Reise den berühmten Fluss als Weltstrom, der von Krieg gezeichnete Gesellschaften eint und zwischenmenschliche Verbindungen zu schaffen vermag. Gleich einem literarischen Bildhauer formt Paquet detaillierte Gesellschaftsbeschreibungen und lebendige Atmosphären.
Alfons Paquet und der Rhein – das sind ein Autor und sein Lebensthema. Dabei reüssierte der 1881 in Wiesbaden geborene Paquet zuerst als Reiseschriftsteller und Journalist auf weit entfernt liegenden Schauplätzen; er fuhr 1903 auf der gerade fertig gebauten Eisenbahnstrecke nach Sibirien, streifte im Jahr darauf durch die USA, besuchte China, Japan, die Mongolei und das Osmanische Reich. Im Sommer 1918 war er in Moskau und konnte als einer der wenigen Auslandskorrespondenten vor Ort authentische Nachrichten von der Russischen Revolution übermitteln.
Nach dem Ersten Weltkrieg aber fand Paquet eine Region im Herzen Europas, die seine extrem vielseitigen Interessen bündelte: die Landschaften um den Rhein. Der Strom wurde ihm zur Hoffnung für ein vereinigtes Europa und überhaupt für ein Zeitalter des weltweiten Austauschs – für einen Globus ohne blockierende nationale Grenzen, für ein ungehemmtes Strömen und Fließen. Paquet war Visionär – und suchte doch auch den Anschluss an die Realpolitik; er war die zentrale Gestalt des Bundes Rheinischer Dichter in der Weimarer Republik und beschäftigte sich als Publizist ausgiebig mit Themen wie modernem Siedlungsbau und Verkehr. Von Frankfurt aus, wo er bis zu seinem Tod 1944 lebte, schrieb er über das Rhein-Main- und Ruhrgebiet und entdeckte als einer der ersten Schriftsteller das Reisen mit dem Flugzeug.
1923 erschien sein Buch Der Rhein, eine Reise. Es war im Grunde das erste wirklich moderne Rhein-Reisebuch und begleitete den Strom von der Quelle bis zur Mündung, ein Muster, dem bis heute die meisten Bücher über den Rhein folgen. Das Buch ging auf eine Artikelserie in der Frankfurter Zeitung zurück, für die Paquet jahrzehntelang schrieb, nicht zuletzt für das berühmte Feuilleton.
Die schwierigen Umstände beim Erscheinen von Der Rhein, eine Reise schlugen sich im Schicksal des Buches nieder; auf schlechtem Papier gedruckt, kam es auf dem Höhepunkt der Inflation heraus und erlebte keine weitere Auflage. Eine Erfahrung, die Paquet immer wieder machen musste – als Journalist schrieb er für die wichtigsten Magazine der Weimarer Zeit, aber seine Bücher brachten nicht den erhofften Erfolg. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde sein Leben eine Gratwanderung. Neben Reisen und Büchern stand auch eine Verhaftung durch die Gestapo. Einer quasi legalen Emigration mittels eines Lehrauftrags in die USA kam der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zuvor. Paquet erlebte nun, wie seine geliebten Städte am Rhein im Bombenkrieg zerstört wurden, sein letztes Buch widmete sich noch einmal dem Strom, nun auch sehr persönlich. Er starb in einem Luftschutzkeller an einem Herzschlag. Seine Hoffnung auf einen europäischen Rhein und ein zum Atlantik hin orientiertes Westdeutschland, die man schon im Rhein-Buch von 1923 herauslesen kann, sollte sich in der Bundesrepublik erfüllen.
Ein Beitrag von Oliver M. Piecha, promovierter Historiker und Autor der Paquet-Biographie „Der Weltdeutsche“
Preis
18,00 €
Der Autor
Alfons Paquet (1881–1944) gehört zu den großen Persönlichkeiten und schreibenden Zeitzeugen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Für die Frankfurter Zeitung reiste Paquet als Korrespondent durch die ganze Welt. Er wirkte als Lyriker, Romandichter, Erzähler, Dramatiker, Reiseschriftsteller, Essayist und Reporter. 1933 verweigerte Paquet dem NS-Regime die Loyalitätserklärung und trat aus der gleichgeschalteten Preußischen Akademie der Künste aus. Während eines Bombenangriffs im Februar 1944 erlag er im Luftschutzkeller seines Hauses am Schaumainkai in Frankfurt einem Herzschlag.
Die Herausgeberin
Julia Finkernagel hat sich nach einer erfolgreichen Management-Laufbahn zur Arbeit als Filmemacherin und Buchautorin entschieden. Sie ist spezialisiert auf Auslandsreportagen von Osteuropa bis Zentralasien. Von diesen Begegnungen und von ihrer begeisterten Arbeit vor und hinter der Kamera erzählen Julia Finkernagels Ostwärts-Bücher, die zu Bestsellern geworden sind.