Das Kultbuch über die Magd Desfred
Margaret Atwood gehört zu den bekanntesten Schriftstellerinnen der Welt, Ihre Werke wurden in viele Sprachen übersetzt. Ihr dystopischer Roman Der Report der Magd (1985) ist ein absolutes Kultbuch und wurde unter anderem als Film und Netflix-Serie adaptiert. In einer exklusiv für die Büchergilde gestalteten Ausgabe gibt es jetzt den meisterhaften Klassiker der vielfach ausgezeichneten kanadischen Autorin zu entdecken.
Die USA in einer nahen Zukunft: In Margaret Atwoods modernem Klassiker Der Report der Magd kommt es aufgrund einer atomaren Verseuchung zu Tot- und Fehlgeburten, zu genetischen Missbildungen und zur Unfruchtbarkeit eines Großteils der weiblichen Bevölkerung. In einem fiktiven Staat New Englands sehen religiöse Fundamentalisten die reproduktive Selbstbestimmung von Frauen als moralisch und politisch falsch an und gründen die totalitäre Republik Gilead, in der die Stellung der Frau neu definiert wird. Frauen werden entmündigt, erhalten einen neuen Namen, dürfen ab sofort nicht mehr arbeiten und kein Eigentum besitzen. Ab jetzt ist alles anders. Unter neuem Namen werden alle Frauen in verschiedene Gruppen eingeteilt, deren Kleider sich farblich voneinander unterscheiden: Ehefrauen von Führungskräften tragen lange taubenblaue Gewänder, Dienerinnen, sogenannte Marthas, sind in Grün gekleidet. Die wenigen fruchtbaren Frauen werden als Mägde zur Fortpflanzung gezwungen und für jeweils zwei Jahre einem kinderlosen Kommandanten und seiner Ehefrau zugewiesen, die aufgrund ihrer Stellung einen Anspruch darauf haben.
Es ist ein Ereignis, ein kleiner Verstoß gegen die Regeln, so klein, dass er nicht zu entdecken ist, aber solche Momente sind die Belohnungen, die ich für mich selbst bereithalte wie die Süßigkeiten, die ich als Kind hinten in der Schublade hortete. Solche Momente sind Möglichkeiten, winzige Gucklöcher.
Eine dieser Mägde ist die 33-jährige Desfred, die Ich-Erzählerin des Romans, die inzwischen bereits ihrem dritten Kommandanten und seiner Ehefrau zugewiesen wird. Was man von ihr erwartet: schwanger zu werden – dies in einer entwürdigenden Zeremonie, die einer Vergewaltigung gleicht – und das Kind anschließend der Ehefrau zu übergeben. Wie alle anderen Mägde muss Desfred immer rote Gewänder tragen und ihr Gesicht verbergen. Eine Tätowierung am Knöchel kennzeichnet sie als Nationalbesitz: Ihr Körper ist Hoheitsgebiet, ihre Fruchtbarkeit steht unter staatlichem Schutz und wird monatlich untersucht.
In der vielen unausgefüllten Zeit – denn so gut wie alle Tätigkeiten, insbesondere das Lesen und Schreiben, sind ihr untersagt – sitzt Desfred in ihrem sporadisch eingerichteten Zimmer, in dem sich die vorherige Magd das Leben genommen hat. Ihre einzige Beschäftigung: zurückzudenken an die Zeit vor der Machtübernahme, an ihren Ehemann Luke und ihre gemeinsame Tochter, die ihr bei der versuchten Flucht vor dem Regime entrissen wurde, an deren ausgetreckte Arme, als sie von ihr fortgetragen wurde, mit der Begründung, Desfred sei nach neuem Recht zur Erziehung nicht geeignet. Was mag aus ihr geworden sein? Und aus Luke? An der Mauer, an der die nun gesetzeswidrig Handelnden zur Abschreckung anderer hängen, hat sie ihn zum Glück noch nicht gesehen. Es ist die Ungewissheit, mit der sie zu kämpfen hat, mit den Bildern vor ihren Augen, ihren schlechten Träumen. Doch sie ist gewillt, ihr neues Leben zu überstehen, beabsichtigt durchzuhalten, in ihren Gedanken klar zu bleiben, und hofft, ihre Familie eines Tages wiederzusehen.


Als jedoch die erwartete Schwangerschaft ausbleibt, gerät Desfred in Gefahr, in eine Kolonie geschickt und zur Unfrau erklärt zu werden, ein Schicksal, das insbesondere ältere oder andere „aussortierte“ Frauen trifft. Doch dann erzählt ihr eine andere Magd von einer Untergrundorganisation, die die Machtstruktur Gileads unterwandert. Gibt es Hoffnung für Desfred?
Der Report der Magd ist ein wahrer Pageturner, nach dessen Beenden man am liebsten gleich zur Fortsetzung greifen möchte, die es mit Die Zeuginnen zum Glück gibt. Es ist ein mitreißendes und nachdenklich stimmendes Buch, das in Erinnerung bleibt. Die vielen aktuellen Themen machen den Roman so besonders, darunter Gewalt an Frauen, Fragen rund um Gleichberechtigung, Abtreibung, Homophobie, Verletzung von Menschenrechten, Umweltverschmutzung, Einschränkung der Pressefreiheit, Macht und Unterdrückung. Es geht aber auch um Hoffnung und Sehnsucht, denn obwohl Desfred dem Regime unterworfen wurde, kann ihr niemand ihre Gedanken und ihre Hoffnung auf ein Entkommen nehmen.
Ich warte. Ich sammle mich. Mein Ich ist ein Ding, das ich jetzt sammeln muss, so, wie man Fakten für eine Rede sammelt. Ich muss ein gemachtes Ding präsentieren, nicht etwas Geborenes.


Margaret Atwoods Der Report der Magd ist einer der besten dystopischen Romane aller Zeiten und wurde zum Kultbuch mehrerer Generationen. Obwohl er bereits 1985 erschienen ist, sind viele Aspekte auch heute noch aktuell. Umso schöner, dass dieser Klassiker nun exklusiv für die Büchergilde neu gestaltet wurde.
Clara Scheffler nimmt in ihrer Gestaltung Bezug auf Desfreds Kleidung: dem vorgeschriebenen roten Gewand der Magd und den weißen Scheuklappen, die sie am Sehen und Gesehenwerden hindern sollen. Die Ausgabe schmückt ein verkürzter schwarzer Schutzumschlag sowie ein rundum laufender integrierter Farbschnitt, und sie wird damit zu einem ganz besonderen Buch.
Marie Falou ist freie Texterin und Juristin. Sie liest viel und gerne und bespricht ihre gelesenen Bücher auf ihrem Instagram-Account @marie.falou und ihrem Blog mariefalou.com

Herstellerin Clara Scheffler über das Buch-Design
„Die Buchgestaltung zu Margaret Atwoods Der Report der Magd spielt mit der Materialität des Buchkörpers und seiner Fragmentierung – genauso wie mit Zensur, versteckten Zeichen, und Codes. Alle Infos zum Buch sind auf einem abnehmbaren, verkürzten Schutzumschlag in Schwarz, der das Buch jedoch nur vermeintlich schützt. Darunter befindet sich das rote Buch mit einer abstrahierten Abbildung der weißen Haube der Mägde darauf. Diese ergibt sich jedoch erst, wenn Anfang und Ende (Vorder- und Rückseite) des Buches zusammen betrachtet werden. Der Rücken des Buches ist offen, an den Schnittkanten des Buchblocks ergeben sich – durch auf seine einzelnen Seiten gedruckten Streifen – Titel und Autorin.“
Die Autorin
Margaret Atwood, geboren 1939 in Ottawa, gehört zu den bedeutendsten Autorinnen unserer Zeit. Sie stellt immer wieder ihr waches politisches Gespür unter Beweis, ihre Hellhörigkeit für gefährliche Entwicklungen und Strömungen. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Man Booker Prize, dem Nelly-Sachs-Preis, dem PEN Pinter Prize und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Sie lebt in Toronto.
Die Übersetzerin
Helga Pfetsch, geboren 1944 in Jena, arbeitet als Übersetzerin und Beraterin im Bereich Kommunikation. Sie hat u.a. Werke von Alice Walker, Toni Morrison und Louise Erdrich übersetzt.