Neuanfang in Wiener Neustadt


Die Autorin mit dem kuriosesten Namen im deutschen Sprachraum: Seit Jahren begeistert Toxische Pommes mit ihren satirischen Videos Hunderttausende in den sozialen Medien, jetzt hat sie ihr erstes Buch geschrieben. Der autofiktionale Roman Ein schönes Ausländerkind erzählt mit trockenem Humor eine Familien- und Migrationsgeschichte, die nicht nur mit pointierten Schilderungen absurder Momente begeistert, sondern auch Raum lässt für Trauriges und Zartes. Dass dabei rassistische Strukturen gnadenlos bloßgestellt werden, verwundert nicht.

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Liebe Irina, du bist als Toxische Pommes bekannt, und das ist auch dein offizieller Autorinnenname. Wie bist du darauf gekommen?

Ich habe einen Instagram-Usernamen gebraucht und @toxische_ pommes war noch nicht vergeben. Außerdem mag ich Pommes.

Du bist bekannt geworden mit satirischen Videos auf TikTok und Instagram und trittst als Comedian auf. Wie kamst du auf die Idee, einen Roman zu schreiben?

Ich wollte schon länger eine längere Erzählung über einen vermeintlich schlechten Ausländer schreiben – ich finde, dass dieses Thema in den breiteren Medien wenig differenzierte Betrachtung findet.

Dein Roman heißt Ein schönes Ausländerkind. Hat das mal jemand zu dir gesagt? Oder ist es eher eine Anspielung darauf, dass es in den Augen der Mehrheitsgesellschaft gute und schlechte Ausländer gibt?

Beides stimmt.

Du erzählst eine Migrationsgeschichte, die deiner eigenen ähnelt. Anfang der 1990er flieht eine Familie vor dem Jugoslawienkrieg aus Kroatien nach Österreich. Sie landen in Wiener Neustadt und muss erstaunt feststellen, dass es sich dabei nicht um den neueren Teil Wiens handelt. Wie kann man die Stadt jemandem beschreiben, der noch nie dort war?

Eine graue Mischung aus Stadt und Land, eingebettet in ein Industriegebiet, im Zweiten Weltkrieg zerstört und dementsprechend voller architektonischer Experimente. Viele Kreisverkehre und Drogenabhängige.

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Die Tochter der Familie ist die Hauptperson und Erzählerin des Romans. Wie findet sie sich in der neuen Umgebung zurecht?

Da die Tochter noch ein Kleinkind ist, als die Familie nach Österreich flieht, fällt es ihr am leichtesten, sich in das neue Land einzugliedern: Sie besucht Kindergarten und Schule, wo sie sich gut zurechtfindet und zur Streberin wird, nicht zuletzt beflügelt durch ihre Angst, abgeschoben zu werden. Durch gute Noten erhofft sie sich die österreichische Staatsbürgerschaft für sich und ihre Familie.

Für den Vater läuft es in Österreich anders als für die Tochter. Er wird dabei sogar versehentlich zum Feministen. Wie ist das passiert?

Der Vater erhält nie eine Arbeitserlaubnis in Österreich, ebenso wenig wird seine Ausbildung anerkannt. Dadurch wird er mehr oder weniger dazu gezwungen, sein Dasein als Hausmann zu fristen und sich um Haus und Kind zu kümmern. Wie ein zweischneidiges Schwert ermöglicht dieser Umstand nicht nur das Entstehen einer liebevollen Vater-Tochter-Beziehung, sondern droht auch gleichzeitig, ihr zum Verhängnis zu werden.

Da angeblich zu viele Ausländer da waren, die den Österreichern ihre Jobs wegnahmen, blieb ihm nichts anderes übrig, als der faule Ausländer zu werden, der nicht arbeiten wollte.

Aus: Ein schönes Ausländerkind

An vielen Stellen im Roman wird von Besuchen auf dem Balkan erzählt, auch Anekdoten von Verwandten, Erinnerungen an das frühere Leben. Welche Rolle spielt die alte Heimat für die Familie und ihr Leben in Österreich?

Für jedes Familienmitglied bedeutet dieser Begriff zu jedem Zeitpunkt etwas anderes: Für die Mutter ist Heimat manchmal eine Erinnerung, für den Vater oft ein Film, der parallel zu seiner Situation abläuft, und für die Tochter bisweilen ein Sehnsuchtsort, der nie ihre wirkliche Heimat war.

Dein Buch ist lustig und traurig zugleich – ist Humor ein Weg, auch das Tragische greifbar zu machen?

Wo viel Tragik ist, liegt auch viel Komik versteckt – diese Bereiche erkunde ich am liebsten.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Norma Schneider.

 

Norma Schneider ist Journalistin und Lektorin in Frankfurt am Main. Sie schreibt am liebsten über Literatur und die queere Community in verschiedenen Ländern.


Die Autorin

Toxische Pommes heißt Irina und arbeitet als Juristin in Wien. Sie hat zahlreiche Follower auf TikTok und Instagram und spielt ihr Kabarettprogramm Ketchup, Mayo & Ajvar – Die sieben Todsünden des Ausländers vor ausverkauften Häusern in Österreich und Deutschland.


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