Die fabelhafte Geschichte des Riesen Théophile


Zeichnungen von Édouard Baribeaud - Eine Geschichte von Marc Beaugé

Die fabelhafte Geschichte des Riesen Théophile – ein Kunstwerk in Buchform! Der deutsch-französische Künstler Édouard Baribeaud hat sein erstes Buch veröffentlicht, das in der deutschen Übersetzung nun exklusiv bei der Büchergilde erschienen ist. In Zusammenarbeit mit Marc Beaugé, einem der bekanntesten Experten für Männermode Frankreichs, entstand ein modernes Märchen um Mode und Eleganz.

Im Interview mit der Büchergilde erzählt Édouard Baribeaud von Dandy-Riesen, kritischen Galeristen und der hohen Kunst des Schneiderhandwerks. Erfahren Sie, was Édouard Baribeaud in London und Freiburg zu seinem Buch inspiriert hat und warum er es mag, wenn Bilder Geschichten erzählen.

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Das Medium Buch war so etwas wie meine erste große Liebe.

Édouard Baribeaud im Interview

Büchergilde: Édouard, Du bist mittlerweile in der Kunstszene kein unbekannter Name mehr, stellst international aus, hast Tücher für das Modehaus Hermès entworfen – nun hast Du ein Buch gemacht. Wie kam es dazu, was war Dein Antrieb?

Édouard Baribeaud: Angefangen hat alles eigentlich damit, dass ich bereits als Kind immer schon Bücher malen wollte: Michael Ende, Astrid Lindgren, Otfried Preußler, diese Autoren haben mich in meiner Kindheit sehr geprägt. Ihre Bücher wollte ich später illustrieren. In Paris habe ich dann Illustration und Druckgrafik studiert, stellte aber fest, dass das rein Illustrative nicht so gut zu mir passte. Deswegen habe ich mich erstmal der freien Kunst zugewandt. Ich war also ein frustrierter Illustrator, der Künstler geworden ist – meistens ist es ja genau anders herum (lacht). Was mir aber immer geblieben ist, ist mein Interesse an Narration, eine narrative Ebene. Dieses Element ist auch oft in meiner künstlerischen Arbeit zu finden. Ich mag es, wenn Bilder Geschichten erzählen. Und das Medium Buch war nun so etwas wie meine erste große Liebe, an die ich anknüpfen wollte.

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Die fabelhafte Geschichte des Riesen Théophile ist der Titel des Buches – welche Art Geschichte erwartet uns da?

Es ist eine Art Märchen – ein modernes Märchen um Mode und Eleganz. Ein Schneidermärchen. Schneider sind in vielen Märchen eine wichtige Figur. Ich wollte hier gern über die hohe Kunst des Schneiderhandwerks erzählen, das ein richtiges Kunsthandwerk ist. Wenn mein Buch mehr Menschen, auch ganz junge, dafür begeistern könnte, würde mich das sehr freuen. Und es geht auch um das Anderssein, darum seinen Platz im Leben zu finden.

 

Was war zuerst da – die Bilder oder die Geschichte?

Mit den ersten Skizzen hatte ich 2012 angefangen. Ganz am Beginn stand die Idee der Figur eines Riesen, der eine Art Dandy ist. Er lebte anfangs noch in einer sehr märchenhaften Welt, und während seine Brüder und Cousins Zyklopen und Menschenfresser waren, war er ein Außenseiter, der sich, statt Menschen zu erschrecken, lieber gut anzog, der kultiviert war, ein Dandy eben. Die Geschichte hat sich dann durch die Zusammenarbeit mit Marc Beaugé noch verändert und entwickelt. Sein Text hat die Geschichte sehr bereichert und in gewisser Weise verwandelt: Jetzt ist sie die, die sie sein muss.

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Marc Beaugé ist ein renommierter Journalist und Experte für Herrenmode – wie kam es zu Eurer Zusammenarbeit?

Ich kannte Marc aus dem französischen Fernsehen und durch sein Magazin l’étiquette. Vor einigen Jahren haben wir uns in London dann persönlich kennengelernt, uns gut verstanden und uns angefreundet. Als mir zu Beginn des Lockdowns mein Skizzenblock mit den ersten Zeichnungen zum Buch wieder in die Hände fiel, schickte ich sie Marc mit der Frage, ob er nicht Lust hätte, den Text zu schreiben, weil ich selber nicht richtig weiterkam. Ich mochte seinen Schreibstil sehr und wusste auch, dass er drei kleine Kinder hat, an denen er die Story ausprobieren konnte. Das war mir wichtig, denn sie sollte gleichermaßen für Erwachsene und Kinder funktionieren. Marc war sofort begeistert.

 

Kunst und Illustration, Illustration und Kunst – Du hast die Füße nach wie vor in beiden Welten. Ein Spagat?

Zu der Zeit, in der die ersten Zeichnungen zu Théophile entstanden, hatte ich auch meine erste richtige Ausstellung in Berlin. Meine Galeristen erklärten mir damals, ein Buchprojekt sei zu kompliziert für die Kunstwelt – entweder sei ich Maler oder Illustrator. In dieser Hinsicht hat sich in den vergangenen Jahren viel verändert, für mich persönlich, aber ich denke auch allgemein. Die Schubladen, die es da noch vor einiger Zeit gab, sind jetzt weniger groß. Für mich sind die Illustrationen in diesem Buch Kunstwerke für sich, sie funktionieren wie eine Ausstellung und haben für mich auch den gleichen Wert. Zwischen einer Illustration, Malerei auf Leinwand oder einem Hermès-Tuch mache ich überhaupt keinen Unterschied. Die künstlerische Qualität muss bei jedem einzelnen dieser Produkte gleich hoch sein. Angewandte und freie Kunst sind für mich gleichermaßen wichtig, und ich mag die Idee sehr, dass es eigentlich keine Grenze zwischen beidem gibt, sondern alles sich gegenseitig nährt und ein fruchtbarer Dialog entsteht.

 

Worin findest Du Deine Inspiration?

Konkret für das Buch hat mich ein Besuch in der berühmten Londoner Savile Row, der Straße der Maßschneider, sehr inspiriert. Überhaupt inspirieren mich Stoffe – ich bin mehrmals nach Indien gereist, ein Fest für die Augen an Farben und Motiven. Auch in indischen Miniaturen habe ich viel Inspiration gefunden, genauso aber im Alltag. Ein Bild im Buch ist beispielweise stark von Freiburg und der dortigen Stimmung angeregt. Und natürlich schöpfe ich aus der Kunstgeschichte: Ich liebe die italienische Renaissance des Quattrocento, diese Zeit, in der noch im Mittelalter verhaftetes Denken auf bereits neue Ansichten trifft. Solche Zwischen- oder Schwellenzeiten, in denen Altes und Neues noch nebeneinander existieren, finde ich extrem spannend. Vielleicht befinden auch wir uns ja an einer solchen Schwelle, schließlich erinnere ich mich daran, vollkommen ohne Internet aufgewachsen zu sein, und heute ist es bereits unser Alltag. Eine solche Zeit der Veränderung bringt viele Fragen mit sich, ist auch beängstigend, aber eben auch sehr faszinierend. So etwas fließt natürlich auch in meine Arbeit ein.

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Deine Zeichnungen haben eine sehr besondere, gewissermaßen textile Anmutung – wie sind die Bilder entstanden, welche Technik hast Du verwendet?

Ja genau, ich wünschte mir, dass die Bilder wie gestickt aussehen, deshalb hatte ich mich früh für die Technik der Schraffur entschieden. Sie erinnerte mich an die Struktur von Stoffen, an das Gewebte. Das wollte ich in meine Illustrationen aufnehmen. Später habe ich zusätzlich mit Aquarell koloriert, um die Zeichnungen weicher, sanfter zu machen. So konnte noch deutlicher dieses Gefühl von Stoff herausholen, wie ein Stoff fließt, sich bewegt. Das war mir wichtig.

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Du feierst in Deinem Buch regelrecht die Schönheit von Stoffen und Mode, die hohe Kunst des Schneiderhandwerks. Im Deutschen gibt es die Redewendung Kleider machen Leute. Welche Bedeutung hat Kleidung?

Kleidung ist die allererste Form der Kommunikation. Wenn ich jemandem begegne, nehme ich – noch bevor etwas gesagt ist – wahr, wie dieser Jemand gekleidet ist. Auch wenn jemand keinen Wert auf Kleidung legt, erzählt mir das etwas über die Person. Es ist eine Art, sich auszudrücken, eine unendliche Welt der Kreativität: Man ist selbst wie eine weiße Leinwand, sich anzuziehen ist in gewisser Weise wie malen – welche Farben und Schnitte wähle ich, wie sind Strukturen und Muster, Licht, Haut- und Haarfarbe, was funktioniert zusammen, was nicht. In der Geschichte aber war mir von Anfang an wichtig, dass das, worum es geht, nicht die Kleidung ist, sondern wer man ist, wie man sich benimmt. Eleganz, das ist etwas, das man sich nicht kaufen kann, es ist etwas, das man in sich hat oder eben nicht.

 

Gab es in Die fabelhaften Geschichte des Riesen Théophile etwas, das Dich besonders herausgefordert hat?

Besonders war hier definitiv, dass ich zum ersten Mal so richtig Kinder zeichnen musste. Das ist überhaupt nicht einfach. Die Gesichtszüge sind anders als bei Erwachsenen, und Kinder sollten sich ja darin wiederfinden. Das Reizende, das in Kindergesichtern liegt, zu vermitteln, ohne dabei ins zu Niedliche zu rutschen, eine Ausgewogenheit zu finden, das war interessant. Und auch wenn es nicht ganz neu für mich war, eine Geschichte in einem Buch und nicht in einem einzelnen Bild zu erzählen, musste ich wirklich intensiv daran arbeiten. Es hat mir da geholfen, dass ich auch freier Künstler bin – an bestimmten Seiten im Buch sieht man das, die sind eine Mischung aus Illustration und freier Kunst.

 

Dein Buch erscheint nicht nur auf Französisch, sondern auch gleich auf Deutsch. Was bedeutet Dir das?

Das Projekt hatte ich über viele Jahre in der Entwicklung, dann einen Verlag dafür gefunden zu haben, das war toll. Und es freut mich wirklich sehr, dass das Buch jetzt auch hier in Deutschland erscheint – ich habe ja selbst deutsch-französische Wurzeln – und in der Büchergilde. Das ist das Schönste, was ich mir denken konnte. Ich liebe Bücher. Mir ist sehr wichtig, dass mit dem Druckverfahren alles stimmt, dass mein Buch am Ende künstlerisch wirkt, zum Kunstwerk wird. Und ich bin gespannt, wie das Publikum hier auf das Thema reagiert – in Frankreich beispielweise ist Mode ja quasi Teil des kulturellen Erbes, das ist hier ein bisschen anders. Ich lasse mich überraschen.

 

Ganz herzlichen Dank, Édouard Baribeaud!

 

Die Fragen stellte Natalie Acksteiner.

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Der Illustrator

Édouard Baribeaud

Édouard Baribeaud, geboren 1984 in Versailles, ist deutsch-französischer Künstler und studierte an der L’École nationale supérieure des Arts Décoratifs in Paris. Seit 2009 lebt und arbeitet er in Berlin. In seiner Malerei und den Designs verbindet er gern zeitgenössische und symbolische Elemente. Seine Werke werden regelmäßig in Galerien und Museen in Europa, Indien und China ausgestellt.


Der Autor

Marc Beaugé

Marc Beaugé, geboren 1980 in Paris, ist einer der bekanntesten Experten für Männermode Frankreichs. Er ist Chefredakteur des Magazins Society und schreibt unter anderem für Le Monde und GQ, ist Kolumnist des TV-Magazins Quotidien und Gründer des Modemagazins L’Étiquette. Marc Beaugé lebt und arbeitet in Paris.


Die Übersetzerin

Sofia Blind lebt als Autorin, Übersetzerin und Gärtnerin im Lahntal. Sie übersetzte u.a. die Werke von John Lewis-Stempel und Nigel Slater ins Deutsche. Zuletzt erschien von ihr Wörter, die es nicht auf Hochdeutsch gibt und Die alten Obstsorten.


Vorzugsausgabe


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