Von Kunstblumenherstellenden und Weltraumschrottwerkenden


Zwischen konventionell und ausgefallen – 158 ganz unterschiedliche Jobs und Berufe hat Künstler Felix Bork in seinem liebevoll und exklusiv für die Büchergilde illustrierten Buch mit dem prägnanten Titel Frohes Schaffen! gesammelt.

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Was Polizei, Feuerwehr, Lehrpersonal und Baristas arbeiten, ist bekannt. Doch wie sieht es aus mit Plakatierenden, Waldfacharbeitenden, Erfindenden, Sägewerkmitarbeitenden oder, Obacht!: Personaldienstleistungskaufmenschen? All diese Jobs und Berufe – samt ihren kreativen Bezeichnungen – vereint Illustrator Felix Bork in seinem neuen Buch Frohes Schaffen!, das es exklusiv nur für Mitglieder der Büchergilde Gutenberg zu erwerben gibt.

Gemeinsam mit drei anderen Illustratorinnen und Illustratoren sitzt Bork im Berliner Wedding im Studio Coolio, einem schlauchartigem Raum mit vier Schreibtischen, dahinter eine Küche und ein Besprechungsraum, den sie sich mit dem Verein Mensch Mensch Mensch teilen. Manchmal feiern sie hier kleine Partys, zumeist aber arbeiten sie an ihrer Kunst. Und in der hat sich Felix Bork bereits einen Namen gemacht. Oh, ein Tier!, erschienen im Eichborn Verlag, war seine Masterarbeit des Studiums Editorial Design an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle/Saale – und wurde 2017 von der Stiftung Buchkunst als eins der 25 „schönsten deutschen Bücher“ ausgezeichnet. „Fesselnd“ sei es, heißt es in der Jurybegründung, weil der „freche Künstler“ sich in „kindische Malweisen einfühlt“ und „treffsicher das Markante der Formen und Farben wiedergibt“. Zwei Jahre später wurde auch der Nachfolgeband, Oh, eine Pflanze!, von der Stiftung Buchkunst prämiert und der „kecke Pinselstrich“ sowie die „unverblümte Malweise“ des Künstlers gelobt.

Felix Bork im Studio Coolio

Spiel mit Klischees

Da überrascht wenig, dass sein neues Werk Frohes Schaffen! auf Initiative der Büchergilde Gutenberg entstand. „Sie wollten ein Felix-Bork-Buch“, sagt der Illustrator mit einem Schmunzeln. „Es sollte ein humorvolles Buch über Berufe sein. Die Grenzen waren sehr weit gesteckt, wenn es sie überhaupt gab. Der Wunsch war, dass ich sie interpretiere.“ Ein Buch über Berufe also. Wie geht man das an, welche Berufe nimmt man auf? Was zunächst einfach und naheliegend klingt, bedeutete viel Recherche für Bork. „Ich habe ein Archiv angelegt“, sagt er. Dabei bekam er Hilfe von der befreundeten Künstlerin Shenja Schittkowski, die gemeinsam mit ihm brainstormte. Sie konsultierten ganz unterschiedliche Quellen: Vom Verzeichnis des Jobcenters zu verschiedenen Studiengängen bis hin zu Auflistungen mit den verrücktesten Jobs der Welt war alles dabei. „Das war interessant, weil so viele Berufe zusammenkamen, an die man nicht sofort denkt.“ Etwa Menschen, die Gurte oder Kunstblumen fabrizieren. „Mir wurde erst dadurch klar, dass es natürlich jemanden geben muss, der Kunstblumen herstellt“, so Felix Bork. Ein neu erwachtes Bewusstsein, das seinen Blick auf Alltagsgegenstände änderte und schärfte.

Illustration aus der Büchergilde-Ausgabe von Frohes Schaffen!

Die „unverblümte Malweise“, die die Stiftung Buchkunst so lobte, ist auch in Frohes Schaffen! charakteristisch. Eine fotorealistische Darstellung interessiert Bork wenig. „Mein Stil ist auf den ersten Eindruck etwas naiver, in vereinfachten Formen, zeitlos also“, sagt der Künstler. Gerade in diesem Buch aber hat er darauf geachtet, bestimmte Berufe nicht allzu abstrakt darzustellen – oder den Leserinnen und Lesern eine Hilfestellung zu leisten. „Die Kläranlage beispielsweise sieht eher wie ein Schwimmbecken aus, dafür gibt es wörtliche Rede im Bild.“ Seine Kompositionen sind mit der gesamten Farbpalette und aus Acryl entstanden, viele als Einzelbilder, andere als comicartige Sequenzen. Unterstützung beim Layout bekam er durch den Grafiker Eric Dannebaum vom Büro Bum Bum, mit dem Felix Bork schon bei Oh, eine Pflanze! und Oh, ein Tier! zusammenarbeitete. „Er rettet mir öfter den Hintern“, sagt Bork mit einem Lachen. „Er weiß, welche Regeln es gibt und wie man sie brechen kann. Wir sind ein gutes Team.

In vielen der Illustrationen greift er auf Klischees zurück, wie bei den Moderierenden im Funk, die nackt dargestellt sind. „Ich hatte Vergnügen dabei, das zu visualisieren.“ Bei anderen Berufen bricht er diese Klischees, zeigt das Scheitern. Es gibt auch Seiten, auf denen der Beruf im Bild gar nicht zu sehen ist. Etwa bei den Waldfacharbeitenden, also Menschen, die im Forst arbeiten. Die gehen im „grünen Gewirr“ unter, weil sie so gut getarnt sind. Oder die Berufstauchenden, die untergetaucht sind.

Besonders interessant war für Felix Bork, bestimmte Berufe auf den Doppelseiten gegenüberzustellen und durch die Visualisierung in eine Beziehung zu setzen, die es auf den ersten Blick nicht gibt. Zum Beispiel die Gebäudereinigung und die Pantomime, beide mit der gleichen Gestik gezeigt. Oder Polizeikräfte auf der einen, Tiertrainierende auf der anderen Seite, die durch ein Schweinchen mit Polizeimütze dargestellt sind. „Diese Jobs haben nichts miteinander zu tun, werden durch die Ästhetik aber miteinander verbunden“, sagt Bork. „Damit zu spielen und diese Verbindungen zu ziehen hat mir total Spaß gemacht.“


Humorvoll und politisch

Neben der humorvollen Komponente hat der Illustrator in Frohes Schaffen! aber auch ein gesellschaftliches, ein politisches Anliegen: die Sichtbarmachung. „Bestimmte Berufe wollte ich unbedingt aufzeigen, beispielsweise die in der sozialen Arbeit“, und verdeutlichen, dass Hierarchisierung und monetäre Auslegung von Berechtigung und Wertigkeit „totaler Quatsch“ seien. „Pflegende Menschen etwa sind doch viel wichtiger als der Beruf, den ich ausübe.“ Teilweise griff Bork dabei auch auf eigene Erfahrungen zurück. So bei seiner Aufforderung, Kellnernden 10 Prozent Trinkgeld zu geben – Felix Bork betreibt gemeinsam mit Freundinnen und Freunden die Kunst- und Kulturkneipe Mastul im Wedding, ein „Kieztreff“, wie er beschreibt, mit Lesungen, Theater und Konzerten.

Studio Coolio

Und was hat es auf sich mit ungewöhnlichen Formulierungen wie Kellnernde, Kunstblumenherstellende oder Plakatierende? Auch das eine Sichtbarmachung; es ist Felix Borks Art des Genderns. „Es wäre nicht richtig, nicht zu gendern“, sagt er mit Nachdruck, „denn das wird den Menschen, die in diesen Berufen arbeiten, nicht gerecht. Es herrscht so viel Ungerechtigkeit, deswegen ist es wichtig, darauf zu achten.“ Darauf zu achten war nicht immer einfach, im Gegenteil: „Es war schwierig, Begriffe zu finden, wenn es keine allgemeingültige Bezeichnung gibt. Mich hat irritiert, dass das so oft nicht existierte.“ Nach bestem Wissen und Gewissen hat er in den Fällen versucht, Wörter zu finden. „Manchmal haben meine Lektorin und ich uns auf Neologismen geeinigt, manchmal auf den Plural – oder aber es bleibt bei ‚Archäologie‘ oder ‚Statistik‘.“ Viele dieser Neuschöpfungen sind kurios. „Ich wollte umständliche Wörter finden, die die Lesenden aus dem Konzept bringen, damit man sich damit beschäftigen muss und das Fehlen von Begriffen dadurch verdeutlicht wird.“

158 Berufe haben es in das Buch geschafft. Ein halbes Jahr lang malte Bork nahezu jeden Tag einen Beruf. „Das Zeichnen war nicht das Problem, sondern eher die Frage: Wo ist bei jedem Beruf der Witz, die Story, das Besondere? Wenn man sich näher damit beschäftigt sind die meisten Berufe vielschichtiger, als man zunächst annimmt.“ Eine Herausforderung, die er mit Bravour gemeistert hat.

 

Von Isabella Caldart


Der Autor & Illustrator

Felix Bork

Felix Bork, geboren in Berlin, studierte in Halle an der Saale Illustration. Seine Hobbys sind: Spazieren gehen, Bauchweh haben und Preise bekommen für die schönsten Bücher des Jahres (Oh, ein Tier!, 2017 und Oh, eine Pflanze!, 2019).


Upsi at work

Upsi-Momente passieren überall bei der Arbeit – ob im Büro oder im Home Office. Felix Bork zeigt uns was beim Illustrieren schief gehen kann.

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