Traxlers vertracktes Geheimnis


Mit Stadelmanns Geheimnis spielt Hans Traxler die ahnungslose Goetheforschung souverän an die Wand und überrascht mit sauber recherchiertem Fachwissen über Goethes heimliche und bislang völlig unbekannte Leidenschaft für den Fußball.

Schriftsteller Oliver Maria Schmitt über seine erste Begegnung mit dem Stadelmann.

173700_Traxler_Geheimnis_3D_01.png

Endlich kommt wieder Licht ins Dunkel, „mehr Licht“ sogar, wie des Dichters finale Forderung an die Nachwelt ja angeblich lautete. Zwar gilt Johann Wolfgang von Goethe als besterforschter deutscher Großpoet – alle 36 Sekunden verdoppeln sich unsere Kenntnisse über den Weimarer Ganzgroßklassiker, übereinandergestapelt reichen die Goetheforschungsresultate hoch bis zum Ozonloch – doch leider blieb allzu lang im Dunkeln, wie der Olympier zur schwierigsten aller Fragen stand: zur Fußballfrage. Denn lange Zeit war Hans Traxlers von ihm selbst illustrierte Tatsachenerzählung Stadelmanns Geheimnis vergriffen, und zwar so was von.

Doch nun, im Jahr des Europapokalsiegs der Frankfurter Eintracht und der anstehenden Winter-Wüsten-WM, bittet die Büchergilde Gutenberg zum Anstoß – und so ist dieses rare Meisterwerk endlich wieder les- und lieferbar. Dass in diesem handlichen Büchlein indes nicht nur der Olympier Goethe höchstselbst und sein traurig-tragischer Kammerdiener Carl Stadelmann aus Jena vorkommen, sondern auch noch – in der Reihenfolge ihres Erscheinens: Hofrat Riemer, Badearzt Dr. Rehbein, Baron Rothschild, Dan Brown, die Maler Bury, Schütz und Hackert, der „Kunscht-Meyer“, Franz Beckenbauer, Herder, Wieland, Merck, Schleer, Lavater, Klopstock und Schiller, ferner drei Carolinen und drei Charlotten und außerdem eine komplette Tavernenkickermannschaft aus dem römischen Stadtteil Trastevere – das gehört zu den vielen Wundern, die Altmeister Traxler nie müde wird, uns aufzutischen. Passt so viel überhaupt in ein so kleines Büchlein? Wenn Hans Traxler das will, dann schon.

173700_Traxler_Geheimnis_IL_04.jpg
173700_Traxler_Geheimnis_IL_09.jpg

Der Präzeptor und Doyen der Neuen Frankfurter Schule, dieser mal lose, mal im Verbund agierenden Dichter-, Zeichner- und Satirikergilde um die Herren Robert Gernhardt, F. K. Waechter, Peter Knorr, Eckhard Henscheid, F. W. Bernstein, Bernd Eilert und Chlodwig Poth, eben jener Herr Traxler also hat mich selbst einmal mit genau diesem Stadelmann überrascht – und zwar auf eine äußerst merkwürdige Weise. Vor etlichen Jahren sollten der Frankfurter Großcartoonist und seine liebreizende Frau Inge einmal bei mir zu Gast sein. Wir besprachen die näheren Einzelheiten des Recontres per Mail, wobei Traxlers letzte Mitteilung mit den für mich rätselhaften Worten schloss: „Ich bringe dann auch den Stadelmann mit.“ Den Stadelmann? Aber wieso das denn, wie kann das denn sein? Dachte ich. Denn nicht wissen konnte ich, dass Traxler gerade sein neues Werk Stadelmanns Geheimnis abgeschlossen und bereits fertig gedruckt vorliegen hatte.

Und nicht wissen konnte wiederum Traxler, dass in meinem Wohnhaus im Frankfurter Nordend, nur zwei Stockwerke unter mir, ein gewisser Aljoscha Stadelmann hauste, seines Zeichens Theaterschauspieler, heute hauptsächlich im Fernsehen aktiv. Weil ich ihn praktisch täglich auf dem Klingel- oder Briefkastenschild las, war mir der Name Stadelmann also äußerst vertraut, ja nachgerade gegenwärtig. Warum aber in Gottes oder meinetwegen Traxlers Namen, warum um alles in der Welt wollte Traxler zum Abendessen nicht nur seine Gattin, sondern auch noch meinen Nachbarn mitbringen? Kannten die sich etwa? Warum wusste ich nichts davon? Und warum erzähle ich Ihnen überhaupt diese extrem langweilige Geschichte? Nun, das bleibt mein Geheimnis, ich behalte es für mich. Stadelmanns Geheimnis jedoch sollten Sie, damit Sie es gleichfalls für sich behalten können, schnell noch sichern. Bevor es abermals vergriffen ist.

173700_Traxler_Geheimnis_IL_11.jpg

Oliver Maria Schmitt ist Schriftsteller, Satiriker und war einmal fast Oberbürgermeister von Frankfurt am Main. Von 1995 bis 2000 war er Chefredakteur des Satiremagazins Titanic.

Banner_Traxler_Stadelmanns_590x250_INST_1080x1080.jpg